Kriminalhauptkommissar Frank Drath (Mitte) ist Profi in Sachen Deeskalation. Er hat auch Bürgermeister Stefan Streit und Personalratsvorsitzenden Tatjana Schindler das richtige Verhalten in brenzligen Situationen erklärt.
Übergriffe auf Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, Beleidigung von Politikern, bedrohliches Verhalten gegenüber Behördenmitarbeitern: Solche oder ähnliche Nachrichten gibt es beinahe täglich. Auch manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Tecklenburg haben bereits Erfahrungen mit brenzligen Situationen gemacht. Ausraster in Jobcenter und Bürgeramt oder üble Beschimpfungen von Bauhofmitarbeitern sind dabei nur zwei Beispiele.
Einer, der weiß, wie man sich verhalten sollte, wenn Gefahr droht, ist Frank Drath. Der Kriminalhauptkommissar von der Kripo Rheine ist seit 30 Jahren Polizist und Profi im Bereich Gewaltprävention und Opferschutz. Auf Einladung der Tecklenburger Stadtverwaltung hat er nun viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sachen Deeskalation trainiert. „Das Gewaltpotenzial hat leider immens zugenommen“, stellte Bürgermeister Stefan Streit fest. „Deshalb ist die Veranstaltung wichtig.“
Gleich zu Beginn machte Drath deutlich, was der Maßstab sein sollte: Die eigene Gesundheit. „Das Ziel muss sein, ungeschoren aus der gefährlichen Situation heraus zu kommen.“ Deshalb laute das Motto: „Immer aufmerksam sein.“ Im Bereich Opferschutz hat Drath immer wieder mit Opfern schwerster Gewaltverbrechen zu tun, die sich wünschen, die Zeit zurückdrehen zu können und besser aufgepasst zu haben.
„Vagotone Schockphase“ – so wird in der Fachsprache der Moment genannt, den sich mache Täter zunutze machen. Das Opfer ist kurzzeitig so geschockt, dass es handlungsunfähig ist. Dazu reiche manchmal auch eine schwere Beleidigung aus dem Nichts heraus, erklärte Frank Drath. Diese Schockphase müsse verkürzt werden oder bestenfalls ganz wegfallen.
Der Experte arbeitet mit dem Modell der „Deeskalationstreppe“. Stufe 1: Sensibilisierung. „Seien Sie aufmerksam“, forderte Drath seine Zuhörer auf. Wer nicht erkenne, dass eine Situation gefährlich ist, sei bereits meistens verloren. Sich einen Überblick zu verschaffen, sei die zweite Stufe. „Gucken Sie zu allererst auf die Hände.“ Ist da eine Waffe? Das muss kein Messer sein. Auch mit einer Bierflasche kann Schlimmes angerichtet werden.
Die dritte Stufe: Distanz. „Mindestens eine Beinlänge“, so Drath. Wenn das Gegenüber ein Messer hat, seien mindestens sieben Meter nötig. Wichtig sei auch der Stand: „Stellen Sie sich so hin, dass sie jederzeit blitzschnell bewegungsfähig sind“, riet der Profi.
Auf Stufe 4 der Deeskalationstreppe: Kommunikation. „Gehen Sie auf den Aggressor ein und bauen Sie zur Not Legenden auf“, riet Kommissar Drath den Tecklenburger Stadtmitarbeitern. „Erzählen Sie irgendwas, was ihr Gegenüber dazu bewegen könnte, sich zu beruhigen.“ Eine solche Legende eröffne dann bestenfalls die Möglichkeit, der bedrohlichen Situation zu entkommen.
Wenn alles nichts nützt und es nicht möglich sei, sich der Gefahr zu entziehen, müsse auf Stufe 5 versucht werden, mittels einfacher körperlicher Gewalt die eigene Gesundheit zu schützen.
Das Allerbeste sei aber immer, sofort über „110“ die Polizei zu rufen, wenn die Situation nicht gelöst werden kann, so Drath – und das besser einmal zu oft als einmal zu wenig.
In der Hoffnung, die „Deeskalationstreppe“ niemals anwenden zu müssen, begaben sich die Mitar-beiter der Stadt Tecklenburg nach der Veranstaltung wieder an ihre Arbeitsplätze – für gefährliche Situationen aber besser gerüstet als vorher.